Innerer Frieden und Unabhängigkeit können nach Patanjali*) nur dann erreicht werden, wenn es gelingt, durch einen bewussten Umgang mit den "Störfaktoren des Geistes" deren Einfluss auf die eigene Wahrnehmung und das Handeln abzuschwächen. Deshalb verfasste er eine Art "Hilfsprogramm" zur Überwindung der Kleshas nämlich den achtgliedrigen Pfad. Dieser ist ein praktischer Leitfaden zu innerer Freiheit welcher aus einer Reihe konkreter, praktischer und auch heute noch sehr lebensnaher Vorgehens- und Verhaltensweisen besteht.
Yamas, Sanskrit, m., यम (Disziplin, Enthaltung, Selbstkontrolle) => harmonischen und rücksichtsvollen Umgang eines Individuums mit seiner äußeren Umwelt welche auch andere Lebewesen beinhaltet
Ahimsa => Himsa bedeutet im Sanskrit Gewalt oder Grausamkeit. Ahimsa, die Nicht-Gewalt, meint aber mehr als nur die Abwesenheit von Gewalt. Unter Ahimsa versteht man auch Freundlichkeit, Zugewandtheit und Rücksichtnahme – einen wohlüberlegten Umgang mit allen Lebewesen und mit sich selbst. Es bedeutet allerdings nicht, dass man sich im Angriffsfall nicht verteidigen darf. Ahimsa ist auch keine übersteigerte Enthaltung von jedem Töten auch noch so kleiner Tiere. Anders als manchen buddhistischen Mönchen wäre es einem Raja-Yoga-Betreibenden möglich, einen Garten umzugraben, selbst wenn dabei kleine Tiere wie zum Beispiel Würmer zu Tode kommen.
Ahimsa soll in Gedanken, Worten und Taten praktiziert werden. Das bedeutet, nicht negativ über jemanden zu sprechen oder zu denken, da dies eine schädigende Wirkung für den Betroffenen und auch für den Negativ-Denkenden selbst haben würde.
In einem weiteren Sinne bedeutet Ahimsa, den Wunsch zu Töten zu überwinden. Das beinhaltet, dass die klassischen Yogapfade eine vegetarische Ernährung vom Schüler fordern. Ahimsa ist sozusagen die Grundlage für eine erfolgreiche Yogapraxis, bei der die Entwicklung der seelischen Fähigkeiten im Vordergrund steht. Gewaltanwendung gegen andere aufzugeben, beruht auf der Erkenntnis der gemeinsamen Wurzeln, und ist zuletzt auch ein Anerkenntnis an das eigene Sein und an das Lebensprinzip überhaupt. Die klassischen Yogatexte (zum Beispiel Yogasutra von Patanjali, 3. Kap.) berichten davon, dass fortgeschrittene Praktiker enorme psychische Fähigkeiten erlangen können. Ein Mensch, der nicht in Ahimsa gefestigt ist, wäre für sich und andere unter Umständen ein großes Risiko. Daher stellt die Auseinandersetzung mit dieser Thematik eine für die Praxis nicht zu vernachlässigende Größe dar.
kurz gesagt: Gewaltlosigkeit im Denken und Handeln. Ein rücksichtsvoller Umgang mit der Umwelt, anderen Lebewesen und sich selbst.
Sytya => bedeutet im Sanskrit Wahrhaftigkeit, Wahrheit. Gemeint ist, in Worten, Taten und Gedanken wahrhaftig zu sein und stets die Wahrheit zu sagen. "Je wahrhaftiger ein Mensch spricht, desto mächtiger werden seine Worte" Zitat von T. K. V. Desikachar. Wahrhaftig sein bedeutet auch, sich nicht selbst zu belügen, sich selbst auch unangenehme Dinge einzugestehen, zum Beispiel wenn man einen Fehler gemacht hat. Doch nicht immer ist es im Sinne von Satya erstrebenswert, die Wahrheit zu sagen, denn sie könnte andere verletzen. Satya bedeutet, zu bedenken, was wir sagen, wie wir es sagen und auf welche Weise es jemanden treffen kann. Ein bewusster Umgang mit Worten also, und das bedeutet auch, dass es manchmal besser ist, zu schweigen. In einem tieferen Sinne bedeutet es auch einen bewussten Umgang mit Gedanken – denn der Gedanke ist die Wurzel der Worte.
kurz gesagt: Wahrhaftigkeit, nicht Lügen. Ziel ist, die Wahrheit so gut es geht zu formulieren, ohne jemanden absichtlich oder unnötig zu schaden. Treue und Aufrichtigkeit führt zur absoluten Authentizität und respektiert auch die Wahrheit eines Anderen.
Asteya = > Steya bedeutet im Sanskrit Diebstahl, asteya ist das Gegenteil und bedeutet, nichts zu nehmen, was einem nicht gehört (oder gegeben wurde). Dies bezieht sich nicht nur auf materielles, sondern auch auf geistiges Eigentum: Zum Beispiel sich nicht mit fremden Federn zu schmücken - oder Menschen, die einem Dinge oder Gedanken anvertrauen, nicht zu enttäuschen.
Brahmacharya => Brahma bedeutet im Sanskrit das Wesentliche, das Eine Wahre – char bedeutet bewegen – Brahmacharya ist also die „Bewegung auf das Wesentliche hin“. Brahmacharya wird in manchen Richtungen/Schulen des Yoga als sexuelle Enthaltsamkeit interpretiert. Meistens ist gemeint, dass der Yogi sein Leben und seine Beziehungen zu Menschen und Dingen so gestaltet, dass sie seinem Streben nach Weisheit und seinem Verständnis der höchsten Weisheiten förderlich sind.
kurz gesagt: Enthaltsamkeit, Maßhalten in allen Lebensbereichen und das sich Konzentrieren auf das Wesentliche.
Aparigraha => bedeutet im Sanskrit Nicht-Zugreifen. Gemeint ist, immer nur das anzunehmen, was angemessen ist, keine vermeintlich „günstigen“ Gelegenheiten auszunutzen (Mitnahme-Mentalität) und keine anderen Menschen auszunutzen. Auch bei der Annahme von Belohnungen und Geschenken soll der Yogi sich zurückhalten, denn sie tendieren dazu, dem Beschenkten Verpflichtungen und Bindungen zu schaffen.
kurz gesagt: Begierdelosigkeit. Anspruchslosigkeit, Wesentliches vom Unwesentlichen unterscheiden, Reflektion was wird wirklich gebraucht an Gegenständen, Ruhm oder Anerkennung
Niyamas, Sanskrit, m., नियम (Beherrschung), Selbstreflexion. Sie dienen dem Einzelnen ein maßvolles, erfülltes Leben zu führen, das eigene Potential voll auszuschöpfen und sich selbst komplett anzunehmen mit allen strahlenden und düsteren Aspekten.
Shaucha => bedeutet im Sanskrit Sauberkeit, Reinheit, das "Geklärte" – gemeint sind ein innerer und ein äußerer Aspekt. Äußerlich ist schlicht körperliche Hygiene gemeint, innerlich geht es einerseits um die gesunde Ernährung um die Funktion des Körpers von Unreinheiten zu befreien, andererseits um die Klarheit des Geistes in Form von reinen Gedanken und Rücksichtnahme.
Die Asana (Yogahaltungen) und das Pranayama (Atemübung) gelten als wesentliche Mittel zur Erlangung der inneren Reinheit. Außerdem gibt es im Yoga eine Reihe von Kriyas (Reinigungsübungen).
Santosha => bedeutet im Sanskrit Genügsamkeit, Bescheidenheit, Selbstannahme, Zufriedenheit für das was ist, was wir haben, wer wir sind sowohl auf materieller, körperlicher oder intellektueller Ebene
Oft haben Menschen bestimmte Erwartungen und gewünschte Ergebnisse schon vor Augen, und dann sind sie enttäuscht, wenn es doch ganz anders kommt. Samtosa bedeutet, anzunehmen, was sich ergeben hat, die Dinge so zu nehmen, wie sie eben sind. Anstatt über Misserfolg zu jammern, kann man sie auch annehmen und aus ihnen lernen. Samtosa bedeutet auch, sich nicht mit anderen zu vergleichen.
Tapas => bedeutet im Sanskrit etwa den Körper "erhitzen": gemeint ist, den Körper gesund und fit zu halten. Disziplin und Ausdauer beim regelmäßigen Üben der Asanas und sich des "Abfalls" im Körper durch "Verbrennung" (Anfachung des inneren Feuers / Agnis) zu entledigen. Dazu gehört auch Achtsamkeit gegenüber den Essgewohnheiten. Aufmerksames Üben des Körpers, Achtsamkeit beim Essen und bewusstes Atmen werden als Hilfen gegen die Ablagerung von "Schlacken" betrachtet, worunter nicht nur z. B. Giftstoffe der Nahrung zu verstehen sind, sondern auch der ganze "Psychomüll" der verdrängt wird und sich ansammelt.
Svadhyaya => Sva bedeutet im Sanskrit "selbst", "zu mir gehörig" – adhyaya bedeutet im Sanskrit Untersuchung, Erforschung, "an etwas nahe herangehen". Svadhyaya ist also Selbsterforschung, Reflexion – sich selbst näherkommen. Das eigene Denken und Handeln soll beobachtet und kritisch hinterfragt werden, um so insgesamt bewusster zu werden. Ein weiterer Aspekt von svadhyaya ist das "Studium der alten Texte", denn gemäß der Lehre sollte man sich nicht immer um sich selbst drehen, sondern braucht Bezugspunkte: Das kann die Bibel sein, das Yoga-Sutra, die Bhagavad-Gita, die Veden und Upanishaden oder andere Überlieferungen und Texte mit spirituellem, philosophischem oder religiösem Hintergrund.
Ishvara Pranidhana => bedeutet im Sanskrit die Hinwendung zu Gott oder auch Gottvertrauen. Es genügt, zu wissen, dass man sein Bestes getan hat: Den Rest kann man dann getrost in Gottes Hände legen. Oft zweifeln Menschen, haben Ängste, fürchten sich vor der Zukunft ishvarapranidhana bedeutet, sich von Ängsten und Zweifeln zu befreien und einfach zu wissen, dass Gott es gut mit uns meint und den richtigen Weg weiß. Wunschlosigkeit, weil Gott viel besser weiß, was wir wirklich brauchen.
kurz gesagt: Vertrauen in eine höhere Kraft / Hingabe zum Göttlichen, zur Urquelle. Es gibt einen göttlichen Plan; alles steht mit allem in Verbindung; eigenen Grenzen zu erkennen und zu akzeptieren.
Asanas => sind die Körperstellungen (Asana = sitzen, aus der Meditation).
Pranayama => Atemkontrolle z. Bsp: durch Kapalabhati, Feueratmung, Anuloma Veloma. Die Energie wird bewusst gelenkt und Blockaden gelöst.
Pratyahara => Zurückziehen der Sinne, Aufmerksamkeitsfokus von außen nach innen, frei sein auf alles reagieren zu müssen es jedoch wahrzunehmen und beobachten.
Dharana => Konzentration auf eine Sache / ein Tun / eine Frage um ein tieferes Verständnis des Objektes der Konzentration zu ermöglichen.
Dhyana => Meditation; Beobachter seines Inneren werden, die Fähigkeit, frei von Glaubenssätzen alles intuitiv wahr zu nehmen ohne es zu bewerten und zu beurteilen
Samadhi => die Erkenntnis des wahren Selbst, der Zustand der inneren Freiheit, Verschmelzung mit der Einheit / dem Göttlichen, tiefste Meditation in Wachheit + Klarheit
*) Patanjali war ein indischer Weiser, der schätzungsweise zwischen dem 2. Jh. v. Chr. und dem 4. Jh. n. Chr. gelebt hatte. Er verfasste das Yogasutra und gilt deswegen als Vater des Yoga.
Quelltext/Buch: Yoga - das große Praxisbuch für Einsteiger & Fortgeschrittene von Inge Schöps